Das erste Monument der Saison findet am Samstag statt und wir sind der Meinung, dass niemand besser geeignet ist, das Rennen zu analysieren, als der Gewinner von Mailand-San Remo 2008, vierfacher Podiumsplatzierter und Radsportlegende Fabian Cancellara. Wir haben mit ihm über die besten Rennen zum Auftakt von Mailand-San Remo gesprochen, darüber, was es braucht, um "La Classicissima" zu gewinnen und über seine Favoriten für Samstag.
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Q: Welches der beiden Etappenrennen, Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico, hat dir im Vorfeld von Mailand-San Remo mehr geholfen?
Ich habe Tirreno immer bevorzugt, da es eine ideale Vorbereitung in Sachen Kilometer und Rennverlauf war. Es ist näher am Rennen, da man bereits in Italien ist und ich habe diesen italienischen Block einfach geliebt; Strade Bianche, Tirreno Adriatico und Mailand-San Remo.
Q: Wie sehen die rund fünf Tage vor Mailand-San Remo normalerweise aus? Geht es ausschließlich um Regeneration oder ist es wichtiger, eine gewisse Trainingsintensität beizubehalten?
Normalerweise feiere ich dann immer meinen Geburtstag, was oft eine gute Ablenkung war. Aber die Rennfahrer werden von Tirreno Adriatico oder Paris-Nizza irgendwo in die Nähe von Mailand reisen. Dann geht es nur noch darum, sich vom vorherigen Rennen zu erholen. Man entspannt sich und macht ein paar Coffee Rides. Manchmal habe ich zwischendurch ein Rennen gemacht oder auch mal drei- bis vierstündige Einheiten. Man versucht, nicht zu müde zu werden, aber trotzdem die Beine in Bewegung zu halten und das System zu aktivieren. Auch das ist wichtig.
Q: Schauen sich die Fahrer in diesen Tagen vor dem Rennen die Strecke nochmals vor Ort an, oder ist diese legendär genug, um sie auswendig zu kennen?
Nein, nicht wirklich. Es gibt keine spezifischen Recon Rides oder sonstige Anstrengungen auf der Route; oder zumindest gab es sie nicht für mich.

Q: Es ist der Freitag vor dem Rennen, was steht an diesem Tag auf dem Programm?
Am Tag zuvor machst du eine eineinhalb- bis zweistündige Fahrt, du isst ein gutes Mittagessen und stellst sicher, dass du viele Kohlenhydrate aufnimmst. Das ist die Zeit, in der man sich mit Kohlenhydraten vollstopft. Du fährst mit demselben Rad, welches du auch am Rennen fährst, also kontrollierst du, ob alles in Ordnung ist. Es gibt keine Presse oder ähnliches zu tun, nur einen ruhigen Tag. Es steht ein großer 300km Tag an, also musst du dich entspannen und deine Energie auf das Rennen konzentrieren.
Q: Im Grunde hast du das schon beantwortet, aber was sich so viele von uns fragen: Wie sieht das Frühstück am Renntag aus? Es muss unglaublich schwer sein, sich für die bevorstehenden 300km zu stärken.
Man muss die richtigen Kohlenhydrate zu sich nehmen; wir können nicht einfach Müll essen. Das ist der Treibstoff für einen harten Tag. Es ist ein Frühaufsteher-Frühstück. So richtig früh! Du isst Reis, ein paar Eier, es ist im Grunde ein normales Race-Day-Frühstück, aber mehr davon. In den letzten Jahren hat sich das aber ein bisschen geändert. Es wird jetzt nicht mehr so viel Wert darauf gelegt, wie viel man isst, sondern mehr darauf, was man isst.
Q: Dann eine eher technische Frage. Wenn du diesen Samstag starten würdest, welches Bike, welche Laufräder und welche Ausrüstung würdest du wählen?
Das ist klar, ich würde eine Timemachine Road verwenden. Auf jeden Fall. Bei diesem Rennen geht es vor allem um Aerodynamik, darum, Energie zu sparen. Die hilft dabei, das Pulver zu sparen. Bei den Rädern würde ich auf jeden Fall tiefere verwenden, nicht die tiefsten von DT Swiss, aber mindestens 60mm. Diese Räder und eine Timemachine Road wären die perfekte Kombi. Reifenbreite und Reifendruck sind wetterabhängig. Wenn es regnerisch ist, könnte man die Reifen etwas tiefer setzen, um mehr Grip zu haben - aber das ist für San Remo nicht entscheidend. Zu guter Letzt brauchst du einen Aerohelm und einen Skinsuit. All diese technischen Details summieren sich.

Q: Etwas für die echten Fahrradfreaks: Wie groß würde das grosse Kettenblatt sein?
Als ich noch Rennen fuhr, war es die Standard 53er mit einer 11er auf der Rückseite. Jetzt, mit den neuesten Groupsets, hat man mehr Optionen, besonders mit SRAM. Aber ich war nie der Typ, der mit meiner Schaltung herumgespielt hat. Selbst in Roubaix war ich nicht so versessen auf meine Schaltung wie einige andere Fahrer.
Q: Kommen wir zum Rennen. Die ersten 200km, bevor die Fahrer die Küste erreichen. Was passiert da im Peloton, sollten die Favoriten auf etwas achten?
In den ersten zwei Dritteln des Rennens geht es nur darum, Energie zu sparen. Da musst du unbedingt Energie sparen. Ruhig sein, geschützt sein, auch versuchen, nicht zu viel zu treten. Je weniger du strampelst, desto weniger verbrennst du. Man muss sich dennoch bewusst warm halten, darauf achten, dass man zur richtigen Zeit das Richtige isst, seine Energielevel im Auge behalten - man darf aber auch nicht zu viel essen.
Q: Das Rennen erreicht die Küste und das Tempo und der Druck nehmen zu. Sollten wir auf etwas Bestimmtes achten? Was würdest du tun?
Hier geht es nur noch um die Positionierung. Die Fahrer müssen sich hier eine gute Position verschaffen und versuchen, nicht in Stress zu geraten. Je näher und näher du nach San Remo kommst, desto mehr Adrenalin und Stress baust du auf. In der Cipressa kämpft man um die Position und dann wieder im Poggio, also muss man versuchen, so ruhig wie möglich zu bleiben, bis es wirklich darauf ankommt. Ruhig zu sein bedeutet nicht, dass du keine Energie verbrennst. Du musst immer noch kräftig in die Pedale treten, um vorne dabei zu sein.
Q: Kommen wir zum eigentlichen Grund, warum wir uns unterhalten wollten. Wer sind deine Favoriten für Samstag?
Meine Prognose: Van Aert. Es ist Wout Van Aert! Ja, es sind 300km, aber er hat mehrere Optionen. Er kann an der Cipressa und am Poggio vorne liegen, aber er kann auch in einem Sprint gewinnen. Er hat alle Karten in der Hand und hat nicht viel zu verlieren. Nicht vergessen, er hat es schon einmal gewonnen.
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Was nur ein lockerer Austausch über Mailand-San Remo dieses Wochenende sein sollte, ist zu einer detaillierten Rennvorschau mit dem ehemaligen Sieger geworden. Wir danken Fabian für seine Zeit sowie seine wertvollen Einblicke und wünschen ihm alles Gute zum Geburtstag. Unser Favorit für das Rennen an diesem Wochenende ist Giacomo Nizzolo, aber auch Greg Van Avermaet oder Oliver Naesen sollte man nicht abschreiben. Lasst uns auf unseren Social-Media-Kanälen wissen, ob ihr in Zukunft mehr hiervon sehen wollt, aber vorerst sind alle Augen auf Samstag gerichtet!
